Die Kette ist gebäumt. Jeder nötige Faden ist auf dem Kettbaum angekommen. Nun beginnt seine Reise durch den Webstuhl. Jeder Faden bekommt nun seinen eigenen Platz im Gewebe. Dazu muss er durch eine Litze gezogen werden. Das sind ganz einfach gesagt ein Faden mit einem Loch drin, durch das der Faden gezogen werden muss.
Hier auf dem Foto sieht man den Webstuhl von vorne. Das Foto geht durch alle Schäfte und zeigt den Litzeneinzug meines letzten Gewebes. Es war ein Spitzeinzug. - Die Kenner können das sehen.
Mein Webstuhl hat 16 Schäfte. Ein Schaft besteht in der Regel aus zwei Holzlatten zwischen denen die Litzen gespannt sind. Der Schaft wird dann über eine Verschnürung gesteuert und durch die Schäfte bekommt das Gewebe seine Bindung. Indem man die Schäfte unterschiedlich steuert und verschieden einzieht erhält man eine schier unbegrenzte Anzahl an Möglichkeiten für die Bindung.
Hier kann man die Schäfte von oben sehen:
Die weißen Konten sind die Anbindung der Litzen. Sie sind auf dem Schaft frei beweglich. In der Regel sind die Litzen aus einen bestimmten Garn. Es gibt aber auch Metalllitzen, die beim Weben aber einen höllischen Lärm machen.
Mir kommt das Litzen einziehen immer so vor, als würde ich Kulissen beim Theater verschieben. Man schiebt die Dinger hin und her, bis alles sitzt.
Wovon reden wir hier eigentlich? Es geht um in diesem Fall 24x39 Fäden (24 Fäden pro Abteil und 39 Abteile). 936 Fäden müssen also einzeln durch ein Loch in der Litze auf dem richtigen Schaft gezogen werden und man sollte dabei tunlichst keinen Fehler machen. Fehler beim Einzug kann man nur sehr schlecht verbessern und sind im Gewebe nachher sehr gut zu sehen.
Ein weiteres Problem besteht bei einem größeren Webstuhl darin, dass die Strecke zwischen Kettbaum und den Schäften ziemlich groß ist. Profis sind manchmal zu zweit, einer reicht den Faden an und der andere zieht ihn durch die Litze. Ich habe das Problem für mich so gelöst: Ich drehe ein Abteil drei Umdrehungen ab (ich habe hier die bunte Kette fotografiert, damit man es besser sehen kann). Dann habe ich eine lange Latte in den Webstuhl gelegt, auf der ich die Kette erst mal ablege. Dann gehe ich auf die Vorderseite und setze mich auf einen Stuhl. (Vorher habe ich natürlich die Lade aus dem Webstuhl herausgenommen.) Dann greife ich durch alle Schäfte, schnappe mir den nächsten Faden und den richtigen Schaft und ziehe ihn durch. Wenn keine Fäden mehr da sind, gehe ich wieder auf die Rückseite und drehe die nächste Abteilung ab.
So sieht es von vorne aus. Man sieht die Kette über der Latte liegen und ich habe schon mal die Litzen von Schaft 1 und 2 hergeschoben.
Nun sind die beiden Fäden eingezogen. Man kann es eher erahnen als sehen... Irgendwie schwierig zu fotografieren.
Hier vielleicht besser? Ich ziehe für die Tischtücher gerade durch. Das heißt, ich nehme von Schaft 1-8 jeweils eine Litze in dieser Reihenfolge und fange dann wieder bei 1 an. Die restlichen Schäfte nutze ich gar nicht. Die sind sozusagen stillgelegt. Das ist der einfachste Einzug. Ich knote immer nach 8 Fäden die Fäden zusammen. So kann ich immer gut sehen, ob alles stimmt: eine Abteilung müssen 3 8erpäcken ergeben. Kommt es nicht so hin, habe ich was falsch gemacht. - Idiotensicher.
Es lässt sich erahnen, wie lange es dauert, bis die gut 900 Fäden alle einzeln durchgezogen sind. Darum wird es jetzt auch etwas dauern, bis es hier weitergeht... Aber das Litzeneinziehen ist tatsächlich die Arbeit, die am längsten dauert....
Es ist eine eher stumpfsinnige Arbeit, bei der man aber auch nicht vollkommen wegdämmern kann. Ich bin immer froh, wenn die Litzen fertig sind.