Mittwoch, 6. Oktober 2021

Kulissen schieben - Das Litzeneinziehen



Die Kette ist gebäumt. Jeder nötige Faden ist auf dem Kettbaum angekommen. Nun beginnt seine Reise durch den Webstuhl. Jeder Faden bekommt nun seinen eigenen Platz im Gewebe. Dazu muss er durch eine Litze gezogen werden. Das sind ganz einfach gesagt ein Faden mit einem Loch drin, durch das der Faden gezogen werden muss.
Hier auf dem Foto sieht man den Webstuhl von vorne. Das Foto geht durch alle Schäfte und zeigt den Litzeneinzug meines letzten Gewebes. Es war ein Spitzeinzug. - Die Kenner können das sehen.





Mein Webstuhl hat 16 Schäfte. Ein Schaft besteht in der Regel aus zwei Holzlatten zwischen denen die Litzen gespannt sind. Der Schaft wird dann über eine Verschnürung gesteuert und durch die Schäfte bekommt das Gewebe seine Bindung. Indem man die Schäfte unterschiedlich steuert und verschieden einzieht erhält man eine schier unbegrenzte Anzahl an Möglichkeiten für die Bindung.

Hier kann man die Schäfte von oben sehen:


Die weißen Konten sind die Anbindung der Litzen. Sie sind auf dem Schaft frei beweglich. In der Regel sind die Litzen aus einen bestimmten Garn. Es gibt aber auch Metalllitzen, die beim Weben aber einen höllischen Lärm machen.

Mir kommt das Litzen einziehen immer so vor, als würde ich Kulissen beim Theater verschieben. Man schiebt die Dinger hin und her, bis alles sitzt.

Wovon reden wir hier eigentlich? Es geht um in diesem Fall 24x39 Fäden (24 Fäden pro Abteil und 39 Abteile). 936 Fäden müssen also einzeln durch ein Loch in der Litze auf dem richtigen Schaft gezogen werden und man sollte dabei tunlichst keinen Fehler machen. Fehler beim Einzug kann man nur sehr schlecht verbessern und sind im Gewebe nachher sehr gut zu sehen. 

Ein weiteres Problem besteht bei einem größeren Webstuhl darin, dass die Strecke zwischen Kettbaum und den Schäften ziemlich groß ist. Profis sind manchmal zu zweit, einer reicht den Faden an und der andere zieht ihn durch die Litze. Ich habe das Problem für mich so gelöst: Ich drehe ein Abteil drei Umdrehungen ab (ich habe hier die bunte Kette fotografiert, damit man es besser sehen kann). Dann habe ich eine lange Latte in den Webstuhl gelegt, auf der ich die Kette erst mal ablege. Dann gehe ich auf die Vorderseite und setze mich auf einen Stuhl. (Vorher habe ich natürlich die Lade aus dem Webstuhl herausgenommen.) Dann greife ich durch alle Schäfte, schnappe mir den nächsten Faden und den richtigen Schaft und ziehe ihn durch. Wenn keine Fäden mehr da sind, gehe ich wieder auf die Rückseite und drehe die nächste Abteilung ab.



So sieht es von vorne aus. Man sieht die Kette über der Latte liegen und ich habe schon mal die Litzen von Schaft 1 und 2 hergeschoben.


Nun sind die beiden Fäden eingezogen. Man kann es eher erahnen als sehen... Irgendwie schwierig zu fotografieren.


Hier vielleicht besser? Ich ziehe für die Tischtücher gerade durch. Das heißt, ich nehme von Schaft 1-8 jeweils eine Litze in dieser Reihenfolge und fange dann wieder bei 1 an. Die restlichen Schäfte nutze ich gar nicht. Die sind sozusagen stillgelegt. Das ist der einfachste Einzug. Ich knote immer nach 8 Fäden die Fäden zusammen. So kann ich immer gut sehen, ob alles stimmt: eine Abteilung müssen 3 8erpäcken ergeben. Kommt es nicht so hin, habe ich was falsch gemacht. - Idiotensicher.


Es lässt sich erahnen, wie lange es dauert, bis die gut 900 Fäden alle einzeln durchgezogen sind. Darum wird es jetzt auch etwas dauern, bis es hier weitergeht... Aber das Litzeneinziehen ist tatsächlich die Arbeit, die am längsten dauert....

Es ist eine eher stumpfsinnige Arbeit, bei der man aber auch nicht vollkommen wegdämmern kann. Ich bin immer froh, wenn die Litzen fertig sind. 









 

Samstag, 2. Oktober 2021

Lösung?!

 Schon immer frage ich mich, warum auf dem Weg von der Kettspule auf den Kettbaum immer soviel Lauflänge verschwindet. Bei meinem neuen Projekt waren es etwa fünf Meter. Ich konnte ein ganzes Abteil weniger bäumen. Das heißt, das Gewebe wird 4cm schmaler.

Ich glaubte zunächst, die beiden Zähler - der am Spulgerät und der am Fadenführgerät - würden verschieden messen. Ich habe das aber längst nachgemessen und sie zählen beide gleich. - Wäre ja auch komisch gewesen....

Heute Morgen beim Aufwachen, hatte ich plötzlich einen klassischen Geistesblitz. - Die Hirnforschung lässt grüßen. :-)

Ich denke, es ist so: Wenn ich spule gebe ich ordentlich Gas. Das heißt, der Motor zieht kräftig an dem Garn und streckt es ziemlich. Wenn ich die Kettspulen dann aber wieder auf den Kettbaum abdrehe, mache ich das von Hand. Das Garn läuft über das Fadenführgerät, das ja keinen Zug aufbaut, sondern einfach nur sortiert. Ich denke, das Garn "zieht sich wieder zusammen" in singen Originalzustand. Es wird wieder kürzer, weil kein Zug auf ihm lastet und die Kette wird kürzer, als berechnet.

Das müsste wirklich die Lösung sein. 


Was ist nun zu tun?

Ich könnte langsamer und zugfreier spulen oder einfach gleich mal immer Summe x zur Kette dazurechnen. - Aber für Summe X habe ich keine Formel und außerdem ist es in der Regel auch nicht ganz so schlimm wenn das Gewebe etwas schmaler wird. 

Wenn ich aber etwas nachwebe, muss natürlich alles stimmen und es kommt auf jeden Zentimeter Kettlänge an.

Ich muss mir also vorher immer gut überlegen, wie ich es mit der Kettlänge halten will... - Oder die Formel finden... - Was sehr unwahrscheinlich ist!

Donnerstag, 30. September 2021

Planen , Spulen und Bäumen

 Es ist sehr ruhig geworden hier. Ich habe eine Reihe Geschirrtücher gewoben. Ansonsten seit den Wollstoffen im letzten Winter nichts mehr. Das Leben lässt nun eben nicht immer genug Zeit für den Webstuhl.

Ich möchte hier aber mal wieder richtig was dokumentieren. Und zwar mein neustes Webprojekt. Ich möchte zeigen, welche Schritte nötig sind, bis ein Webstück/Stoff fertig auf dem Tisch liegt.


Zunächst braucht es eine Idee.

Ich wollte schon lange eine Tischdecke für den Terrassentisch weben. Ich dachte zuerst an zwei Bahnen, die ich dann in der Mitte zusammennähe. Aber nun kam mir die Erkenntnis, dass ich ja auch doppelbreit weben könnte.  Der Nachteil sind die irre vielen Kettfäden und so überlegte ich an der Kettdichte herum. Das Material soll Cottolin sein. Die Bindung Leinwand.

Ich dachte an eine Kettdichte von 7 Fäden pro Zentimeter. Aber dann ist mir eingefallen, dass ich kein 70er Blatt habe. Also habe ich mich für 6 Fäden entschieden. Ich hoffe, das ist nicht zu wenig. Aber die Decke soll ja auch nicht zu schwer werden. 


Dann wird geplant und gerechnet:

Ich habe meine Tische ausgemessen. Alle sind 90cm breit, sie sind lediglich unterschiedlich lang. Ich plane drei Decken und habe grob und großzügig überschlagen. Also komme ich auf eine Kettlänge von 7,5 Metern. Die Breite mit 1,6m habe ich ziemlich breit angelegt, aber ich möchte, dass die Decke an den Seiten überhängt und ich fürchte einen ziemlichen Einsprung beim Waschen, wegen der wenigen Kettfäden. Ich habe da keine Erfahrung damit. Also lieber zu breit, als zu schmal....

Da ich einen Direktzettelsatz besitze muss ich nun ausrechnen, wieviele Kettspulen ich brauche und wie lange der Faden auf der jeweiligen Spule sein muss. Ich bäume immer 2cm, also brauche ich 24 Kettspulen (2x6 - Doppelgewebe also jede "Seite" 6 Fäden- und das mal 2 weil ich ja 2cm bäume). 

Da ich zwei verschiedene Farben in der Kette geplant habe, muss ich zwei mal die 24 Kettspulen spulen. Das ergibt dann auch pro Farbe eine unterschiedliche Länge der Kettspule. Die Grundfarbe ist ein ungebleichtes Cottolin und dann noch Kettstreifen in einem dunklen petrol. - Das ist zwar nicht so richtig meine Farbe, war aber gerade im Angebot und passt schon irgendwie ins Farbkonzept. :-)


Spulen:

Ich besitze ein elektrisches Spulgerät. Das ist super und ich gebe ordentlich Gas, bis ich die jeweilige Länge aufgespult habe:




Das Fadenführgerät:

Die fertigen Spulen werden in das Spulengestell eingelegt. Dann stelle ich das Gestell hinter den Webstuhl und klemme das Fadenführgerät ein. Ich habe eines von Louet, wie mein Webstuhl. Irgendwie bin ich nicht ganz so zufrieden. Aber nicht immer liegen die Probleme am Gerät. Vielleicht mache ich als Autodidakt auch nicht alles richtig. Ich muss jedenfalls immer höllisch aufpassen, dass die Fäden auch immer in dem Teil bleiben, das ich bäumen will.


Hier der Spulenständer mit den Spulen.
Die Fäden sind schon in das Fadenführgerät eingelegt.





Die Kettfäden werden einzeln in das Fadenführgerät eingelegt.
Der Sinn ist, dass die Fäden ordentlich sortiert auf den Kettbaum gedreht werden.





Hier von oben





Das Führgerät sitzt auf einem Baum oberhalb des Kettbaumes (- der hat sicher einen Namen, aber ich kenne ihn nicht...). Man kann auf dem Kettbaum die einzelnen Abteile erkennen. Jedes Abteil ist 2cm breit und durch einen Metallbogen vom anderen abgeteilt. Das ist wichtig, damit die Kette nicht übereinander rutscht. Wir sprechen ja von 7,5 m Länge.





Hier sieht man das Ganze von hinten, also der Moment, in dem die Kette aus dem Führgerät auf den Kettbaum gedreht wird.





Ich drehe den ganzen Kettbaum so lange mit einer Kurbel, bis die 7,5 m in einem Abteil aufgedreht sind. Dann schneide ich es ab, klebe es ab (ja, ich weiß, man könnte es auch einfach anbinden....) und rutsche das Fadenführgerät eins weiter.




Jubel, Trubel, Heiterkeit!
Die Kette ist gebäumt! Man kann die verschiedenen Farben sehen.
Warum die Kette statt für 40 Abteile nur für 39 Abteile ausreichte ist mal wieder ein Mysterium,
in dem Fall aber kein Problem.